Februar 2022
Stürme, Dürren, Starkniederschläge und Schadorganismen führen in den bewirtschafteten und natürlichen Wäldern zu außer Kontrolle geratenen Massenvermehrungen und massiven Veränderungen in den Wäldern von NRW. Mittlerweile betrifft es nicht nur Nadel-, sondern auch Laubbäume.
Der Wald, der das Klima schützen soll, stirbt an den Folgen des Klimawandels, obwohl er durch die Bindung von Kohlendioxid Teil der Lösung sein muss.
Wald ist systemrelevant
Das Klima ändert sich schneller, als sich das Ökosystem Wald darauf einstellen kann. Nicht nur Nadelwälder, auch Mischbestände, Laubholzbestände und Wildniswälder sterben inzwischen ab.
Der Waldumbau zu naturnaher Waldwirtschaft mit Mischbaumarten und Biodiversität kann unsere Wälder langfristig stabil machen. Es braucht aber Zeit. Wälder sind komplexe Ökosysteme, die sich nur langsam entwickeln. Es besteht Forschungsbedarf, welche Strategien langfristig Erfolg versprechen. Welche Baumarten sind geeignet? Schaffen das unsere heimischen Baumarten?
Was sind die Folgen?
Die Freisetzung von Stickstoff und Kohlendioxid verstärkt die Erderwärmung zusätzlich. Ohne schützenden Baumbestand nimmt der Waldboden Schaden. Jeder Starkniederschlag hat Erosion und einen Verlust der Bodenfruchtbarkeit zur Folge. Eine Senkung der Leistungsfähigkeit des nachfolgenden Waldes ist die Folge. Wald kann die Funktion bei der Grundwasserneubildung und beim Hochwasserschutz nicht mehr erfüllen. Bisher im Waldboden gebundene Schadstoffe werden ins Grundwasser ausgewaschen.
Das Absterben von Baumarten führt zu einer Entmischung strukturreicher Waldbestände und trägt wie das Absterben ganzer Bestände zum Artensterben bei. Der Verlust großer Holzmengen hat langfristig eine Holzverknappung und damit einen hohen Importbedarf zur Folge. Damit wird Raubbau an den Wäldern exportiert.
Waldbesitzende sind nicht mehr in der Lage, die Beseitigung von Schadholz und das Pflanzen junger Bäume, die Pflege und gerade privatisierte Betreuungsdienstleistungen zu bezahlen. Der steigende Totholzanteil führt zu Risiken in der Arbeitssicherheit bei der Waldarbeit, der Erholung, Anliegern sowie beim Verkehr.
Falsche „Experten“ nutzen die Katastrophe und schieben der Waldwirtschaft und den handelnden Personen die Schuld in die Schuhe. Sie bedienen mit populistischen Positionen das sensible Naturempfinden der urbanen Gesellschaft, der die Prozesse der naturverträglichen Waldnutzung nicht bekannt sind. Den Klimawandel haben nicht die Forstleute und Waldbesitzenden verursacht.
Der BDF NRW fordert:
Zur Erhaltung des Waldes ist eine enorme politische, gesellschaftliche Initiative und finanzielle Anstrengung notwendig. Hierfür werden in NRW in den nächsten fünf Jahren mehr als eine Milliarde Euro benötigt.
1. Über 750 Millionen junge Bäume für den Wald in NRW
Die bis Ende 2022 zu erwartenden Kahlflächen in NRW schätzen wir auf ca. 150.000 ha. Zusätzlich müssen in etwa gleicher Größe Nadelholzkulturen in Mischbestände umgestaltet werden. Ergänzend zu natürlicher Verjüngung und Sukzession werden 1.000 bis 5.000 Bäume pro Hektar benötigt, um einen artenreichen und klimaangepassten Wald zu entwickeln. Daraus ergibt sich die gigantische Zahl von über 750.000.000 jungen Bäumen, die für klimatischen Veränderungen angepasst sind.
2. Kostenübernahme für die Wiederbewaldung bis zur Sicherung eines gemeinwohlorientierten Waldes durch das Land NRW
Die Waldbesitzenden zahlen die Zeche für den von allen BürgerInnen NRWs verursachten Klimawandels. Die Einkommensverluste des Waldbesitzes machen es unmöglich, die Schadflächen gemeinwohlorientiert wieder aufzuforsten. Wir alle benötigen aber schnellstmöglich einen intakten Wald zur Erfüllung aller Allgemeinwohlleistungen und als CO2-Speicher. Deshalb muss das Land NRW die Kosten für Ernteausfälle, die Pflege und Weiterentwicklung von Sukzessionsvorwäldern und die Anlage und Pflege von Kulturen bis zur Sicherung des gemeinwohlorientierten Bepflanzungsziels übernehmen. Es reicht nicht, nur die Pflanzung zu unterstützen: Kyrill hat gezeigt, welcher Pflegeaufwand auf Freiflächen erforderlich ist, um die jungen Bäume aus den wildgefährdeten Pflanzengrößen heraus zu bekommen.
3. Angepasste Wilddichte
Eine wichtige Voraussetzung für alle waldbaulichen Maßnahmen und einen gelungenen Waldumbau ist die waldfreundliche Jagd auf allen Flächen. Ein dem Wald und den Erfordernissen der Waldverjüngung angepasster Wildbestand ist durch die Jägerschaft und die Waldbesitzenden zu gewährleisten. Der Grundsatz „Wald vor Wild“ muss konsequent umgesetzt werden.
4. Leistungsfähige Forstverwaltung
Die Forstbetriebe haben Jahrzehnte massiven Personalabbaus hinter sich. In NRW wurde in den letzten 25 Jahren die Hälfte des Forstpersonals eingespart. Die Zahl der Beschäftigten auf allen Ebenen, bei Forstunternehmern, in Revieren und Forstämtern sowie in der Forstwissenschaft reicht bei Weitem nicht, um die gestiegenen Anforderungen an eine ausgewogene, ökologisch wie ökonomisch hochwertige Waldpflege zu gewährleisten.
Alleine für die aktuellen Maßnahmen zur Waldsicherung werden in NRW 1.000 neue, gut ausgebildete ForstwirtInnen, studierte Forstleute sowie Mitarbeitende in den Forstämtern gebraucht, um die Lücken zu schließen. Eine Ausbildungsinitiative für ForstwirtInnen in öffentlichen und privaten Forstbetrieben ist unumgänglich. Fachleute wachsen nun mal nicht auf Bäumen. Um Inhalte adäquat zu vermitteln, brauchen wir mehr professionelle Öffentlichkeitsarbeit u.a. durch RangerInnen.
5. Das Land NRW muss die gemeinwohlorientierten Kosten der Betreuung des Privatwaldes übernehmen
Die Betreuung des Privatwaldes war bisher überwiegend in öffentlicher Hand. Der Privatwald dient der umfassenden Daseinsvorsorge - die Privatwaldbetreuung ist daher eine gesellschaftliche Aufgabe und muss verstärkt statt abgebaut werden. Die Kosten der gemeinwohlorientierten Betreuung des Kleinprivatwaldes muss das Land NRW daher zu 100% übernehmen.
6. Wald als Eigentum
Etliche Waldbesitzende sind nicht mehr in der Lage, ihren Wald angemessen zu bewirtschaften. Wenn Waldbesitzende ihren Wald abgeben wollen und keine anderen Kaufinteressierten vorhanden sind, muss das Land diese Flächen durch Ankauf oder Pachtmodelle in eine gemeinwohlorientierte Bewirtschaftung überführen.
7. Waldbaukonzepte permanent evaluieren
In den letzten Jahrzehnten wurden Waldbauprogramme auf ökologischer Grundlage entwickelt. Ziel war es, strukturreiche Wälder mit hoher Artenvielfalt und hoher Stabilität zu schaffen, um für die Waldbewirtschaftung mit all ihren Facetten eine Basis zu haben. Die aktuelle Entwicklung zeigt jedoch, dass die Konzepte, die sich am starren Modell der potenziell natürlichen Vegetation orientieren, ihre Zielsetzung unter den Bedingungen des schnellen Klimawandels nur bedingt erreichen können. Die Zeit ist zu kurz, um angesichts der Langfristigkeit der Prozesse strukturreiche Waldbilder auf natürlichem Weg zu erreichen. Die standortgerechte Eignung angepasster Baumarten, die teils fremdländischer Herkunft sein können, sind sowohl hinsichtlich der Ertragsfähigkeit als auch ihrer Auswirkungen auf unsere Ökosysteme zu prüfen. Behandlungskonzepte zum Erhalt der Wassergüte, der Bodenfruchtbarkeit und für neue, ökologisch wertvolle und leistungsfähige Waldent-wicklungstypen müssen untereinander scharnieren.
8. Regenerative Energien
Für die regenerative Energiegewinnung auf Waldflächen sollen Leitplanken und tragfähige Konzepte gemeinsam mit den Verbänden entwickelt und Personal qualifiziert werden.
9. Forstliche Förderung
Die forstliche Förderung muss einfach, für jeden umsetzbar und erfolgreich gestaltet werden. Einen fast totalen Ausfall wie nach Kyrill darf es nicht noch einmal geben.
Fazit: Der Wald ist systemrelevant und die Herausforderungen sind groß.
LV NRW