Der 3. Gelsenkirchener Verkehrssicherungstag fand am 28.9.2017 im Regionalforstamt Ruhrgebiet neben der ehemaligen Zeche „Hugo“ in Gelsenkirchen statt. Regio-nalforstamtsleiter Reinhard Hassel sowie der Sprecher des BDF-Bundesarbeitskreises Verkehrssicherheit Roland Haering begrüßten die rund 90 Teilnehmer mit einem herzlichen „Glück Auf“.
Landesforstverwaltung und Deutsche Bahn an einem Tisch
Roland Haering, die Referenten der DB Netz AG als einem der größten „privaten“ Waldbesitzer sowie ein lebhaft vorgetragenes Kooperationsprojekt aus dem Bereich des Regionalforstamts Hochstift der Referenten Dr. Hetzel (DB Netz AG) und Florian Bitter (Landesbetrieb Wald und Holz NRW) informierten über den Arbeitsstand der Abstimmungen sowie Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit von Bahnbetrieb und Forstwirtschaft in den angrenzenden Waldflächen der Deutschen Bahn und anderer Waldbesitzer.
Aktuell laufen seitens der DB Netz AG intensive Verhandlungen mit der AGDW und Landesforstver-waltungen zur Optimierung der vorhandenen Defi-zite. Und eine Regelung ist durchaus nötig, wie Orkan Xavier keine 14 Tage später bewies, der im Nordosten Deutschlands teils schwere Waldschä-den verursachte.
Praxisvortrag zur Vitalitätsbeurteilung
Besonders gespannt wurde der Vortrag von Prof. Andreas Roloff von der TU Dresden erwartet: Er verwies in seinem Praxisvortrag auf die Notwendigkeit der visuellen Inaugenscheinnahme vom Boden aus mit Gummihammer, Fernglas und Sondierstab. Zum Zeitbedarf berichtete er, dass die Regelkontrolle eines Stadtbaumes durchschnittlich zwischen 5-10 Min. Zeitbedarf erfordert. Er betonte, dass für die Regelbaumkontrolle der verkehrssicherungspflichtigen Bäume des Waldes eine vollständige Inaugenscheinnahme der Einzelbäume für die in der einschlägigen FLL-Baumkontrollrichtlinie vermerkten verkehrssicherungsrelevanten Kriterien zu erfolgen hat und die Ergebnisse tagesscharf zu dokumentieren sind. Regelkontrollen von Waldbäumen, z. B. vom Auto aus oder durch Stichprobenverfahren sind fachlich hinsichtlich eines straf- oder privatrechtlichen Haftungsausschlusses nicht geeignet.
Prof. Roloff vermittelte die Vorhersehbarkeit schwer-wiegender Baumgefahren, die von Unglücksbalken, Veredlungsstellen mit horizontalen Rindeneinschlüssen, Holzrissen und Druckzwieseln ausgehen können. Mit detaillierten Ausführungen zur theoretischen Herleitung der Restwandstärke von Prof. Matthek entlarvte er diese als widerlegt. Er legte auch an anderen Beispielen dar, dass die VTA-Methode nicht mehr ganz dem Stand des Wissens und der Technik entspricht. Die FLL-Standards seien methodisch und inhaltlich deutlich breiter aufgestellt und führten heute technisch zweifelfrei zu besseren Ergebnissen.
Die beste Baumkontrolle nütze jedoch nichts, wenn nicht die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen klar lokalisiert, detailliert dokumentiert und mit einer datumsscharfen Ausführungsfrist versehen seien. Abschließend betonte Prof. Roloff, dass auch die Umsetzung der Sicherungsmaßnahmen eine fachliche Begleitung und detaillierte Abnahmedokumentation erfordert. Erst damit schließt sich der Kreis zu einem gerichtlich nachprüfbaren Zustand der Pflichterfüllung.
BDF sieht gute Fachkompetenz bei Förstern
Aus Sicht des BDF wurden die zwischenzeitlich weit verbreiteten fachlichen Defizite der Forstpartie für die Beurteilung der Stand- und Bruchsicherheit von Bäumen seit nunmehr gut zehn Jahren in der Hochschulausbildung vollständig beseitigt. Auch in der älteren Belegschaft haben sich ehemalige Defizite in der jüngsten Vergangenheit deutlich verbessert, wobei die forstliche Keimruhe des Themas in manchen Betrieben unverändert fortdauert.
Die abschließende Podiumsdiskussion erbrachte die folgenden Ergebnisse:
Unser Landesvorsitzender Fred Hansen bedankte sich beim gesamten Vorbereitungsteam und natürlich bei allen z. T. sehr weit angereisten Teilnehmern und Referenten für einen Tag angeregter Diskussionen und tollen Beispielen gelebter Zusammenarbeit von Förstern, Arboristen und Baumpflegern verschiedener Arbeitgeber. Er betonte die besondere Bedeutung des Gelsenkirchener Verkehrssicherungstages für die gewerkschaftliche Arbeit des BDF und die bundesweite Ausstrahlung der Veranstaltung.
Norbert Bösken
Zum III. Gelsenkirchener Verkehrssicherungstag im Regionalforstamt Ruhrgebiet in Gelsenkirchen lud neben dem BDF auch der Landesbetrieb Wald und Holz NRW und die Deutsche Bahn als Mitveranstalter zum Thema „Wald, Bäume und Verkehrssicherheit an Bahnlinien“ ein.
Die Fragen „Wer stellt den Strom ab, wenn ich fällen muss und wer trägt die Kosten dafür?“ oder „Wie finde ich meinen Ansprechpartner?“ standen im Vordergrund der Fachtagung. Allerdings konnte die Deutsche Bahn auch ihr eigenes Konzept der Vegetationskontrolle, deren Rechtslage und deren Hindernisse vorstellen, um damit auf mehr Verständnis bei Dritten zu stoßen.
Felix Gerhardt aus der DB Netz AG Zentrale erklärte das generelle Konzept der Vegetationskontrolle bei der Deutschen Bahn. Hierfür wird die Rückschnittzone einmal jährlich bodennah zurückgeschnitten. Diese erstreckt sich auf mindestens 6 m aus Gleisachse zzgl. eines Wachstumszuschlages von ca. 1 m. An die Rückschnittzone schließt sich eine sog. Stabilisierungszone an. Hier werden Baumbestände einmal jährlich auf Schäden und Standsicherheit inspiziert, abwechselnd im belaubten und unbelaubten Zustand. Die Schlussfolgerung nach Prof. Dr. Andreas Roloff von der TU Dresden ist, dass bei der Baumdiagnostik nicht selten Interpretationsspielraum besteht.
Aufgrund der Extremwetterlagen der letzten Jahre optimiert die Bahn präventiv ihr Vegetationskonzept, um die Fahrwegverfügbarkeit in kritischen Bereichen zu verbessern. Dies soll durch eine Höhenbegrenzung der Vegetation in Abhängigkeit von der Entfernung zum Gleis geschehen. Dafür werden Bäume, die aufgrund ihrer Höhe ins Gleis fallen können, entnommen und stattdessen wird ein naturnaher und strukturreicher Waldsaum erzogen.
Zudem muss die Bahn sich an gesetzliche Vorgaben (Allg. Eisenbahngesetz, BGB, BNatSchG, BWaldG …) und betriebliche und technische Anforderungen (Arbeitssicherheit, Sichtbarkeit von Signalen, Abstand zu elektr. Anlagen …) halten. Eine der gesetzlichen Vorgaben schreibt vor, dass die Bahn in einem betriebssicheren Zustand (§ 4 AEG) gehalten werden muss. Eines bleibt sicher: Bei Gefahr im Verzug hat jeder sofort zu handeln. Jeder Eigentümer von Bäumen oder Baumbeständen ist für die Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich selbst verantwortlich, so Frank Zwanziger von der Rechtsabteilung der Deutschen Bahn. Kommt er dieser Pflicht schuldhaft nicht nach, so muss dieser für die Schäden aufkommen, welche der umgestürzte Baum verursacht hat. Bei einem Baum im Gleis können die Kosten für den entstandenen Schaden sehr schnell sehr hoch werden.
Es gibt bereits Kooperationen zwischen Forstverwaltungen der Länder und der DB Netz AG. Dr. Gerhard Hetzel berichtete von den jüngst geschlossenen Vereinbarungen in Hessen und Bayern. Dort wurde festgelegt, dass bei gemeinsamen Begehungen die Verkehrssicherheit überwacht wird und Hiebsmaßnahmen gemeinsam durchgeführt werden. Auch wurde dort die Kostenverteilung geregelt. Die Sicherungsmaßnahmen für den Bahnverkehr werden in der Regel von der DB Netz AG übernommen, die Kosten der Hiebsmaßnahmen werden aufgeteilt. In Nordrhein-Westfalen ist die DB Netz AG in die örtliche Forstbetriebsgemeinschaft Diemel-Nethe eingetreten. Gemeinsam mit dem zuständigen Revierleiter Florian Bitter vom RFA Hochstift werden größere Hiebsmaßnahmen durchgeführt und Fichtenreinbestände zu Mischwäldern umgebaut. Auch Projekte wie beispielsweise „Azubis der Bahn pflanzen Bäume“ werden gemeinsam gestaltet.
Wer stellt nun aber den Strom ab, wenn ich fällen muss? Zu bedenken ist, dass die spannungsführenden Teile der Bahn bis zu 15 kV betragen. Auch wenn ein Baum die Oberleitung nicht berührt, kann es trotzdem zu Überschlägen kommen, welche lebensgefährlich für Menschen sind. Daher empfiehlt die Bahn, bei vorhersehbaren geplanten Maßnahmen den richtigen Ansprechpartner frühzeitig zu kontaktieren, damit die Maßnahme betrieblich geplant werden kann. Dies kann nach Größe der Maßnahme von einigen Tagen bis zu einigen Monaten dauern. Die betrieblichen Sicherungsmaßnahmen werden i. d. R. von der Bahn übernommen. Die Kosten für Fällungen und Abtransport werden von dem jeweiligen Eigentümer (sofern nicht anders geregelt) getragen. Bei Gefahr im Verzug muss die Feuerwehr kontaktiert werden, damit diese den Fahrdienstleiter bzw. den zuständigen Notfallmanager verständigen kann.
Gemeinsam mit Roland Haering vom Bund Deutscher Forstleute und Reinhart Hassel vom Regionalforstamt Ruhrgebiet möchte die DB Netz AG je eine Stelle einrichten, welche als Schnittstelle von
Externen und Internen fungiert. Diese Stelle leitet Informationen oder den richtigen Ansprechpartner weiter. Außerdem soll der Gedanke eines „Infotools“ aufgegriffen werden. Dies soll analog zu
dem bereits von der Stadt Essen entworfenen Tool der Jagdschutzgebiete im Stadtgebiet Essen aufgebaut werden. Mit einem Klick findet man den richtigen Ansprechpartner für den jeweiligen Bereich,
so Roland Haering von Grün und Gruga Essen. Anna Kortenbruck